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Heute jährt sich der „Tag der deutschen Einheit“, zum siebzehnten mal.

 

Fredi arbeitet. Feiertage-schänden ist eine seiner Vorlieben. Natürlich nur, wenn es sich nicht um kirchliche First–Class-Feste handelt, deren Nichtbeachtung mit sofortiger Exkommunizierung, Todesstrafe und Höllenschmach gesühnt werden. Man(n) will es sich ja nicht verscherzen…

 

Bei wunderbarstem Herbstwetter ist er also eins mit seinem Acker, seinem Schlepper, seinem Hund – und sät Wintergerste. Dunzie liegt eingeklemmt zwischen Schalthebel und Pedalen zu Füssen ihres Angebeteten und ist für dessen seelisches Gleichgewicht verantwortlich. Mich wollten Sie nicht mitnehmen – sie werden Wichtiges zu besprechen haben.

 

Sei’s drum. Ich sitze draußen vor dem Haus, bin aber nicht alleine, denn Smudo und Andy von den „Fantastischen Vier“ leisten mir Gesellschaft. Die Sonne wärmt, die Katzen schnurren und es ist ruhig um den Hof – ein hervorragender Moment, um in sich zu gehen.

 

Nicht nur Ossis und Wessis vereinten sich im Oktober. Auch wir, der dynamische, schon nicht mehr so ganz junge Jungbauer Fredi und seine langjährige Wegegefährtin (also ich) schlossen die Handschellen und ketteten uns auf Gedeih und Verderb aneinander.

 

Gestern war unser 5. Hochzeitstag.

 

Wie hat alles angefangen? Sehr, sehr romantisch.

 

1998 – mit zarten Annäherungsversuchen auf einem James-Brown- Konzert: Fredi hat mir nachgestellt. Bei der Gelegenheit hat er mit einem todesmutigen Bungee-Jump von einem Autokran bewiesen, dass er wahrlich ein Teufelskerl ist.

 

Es folgten Liebeswochenenden, abwechselnd in Gengenbach, wo ich zu der Zeit wohnte – oder in Fredis Junggesellenbude in Rechberg. Die hatte einen offenen Kamin im Wohnzimmer…

 

Verknallt über beide Ohren drang nicht in mein Grosshirn, dass die Pizza-Schachteln von unserem Verabschiedungs-Dinner am Sonntag abend am nächsten Freitag immer noch auf seinem Wohnzimmertisch lagen. Es gesellte sich sogar noch etwas Schimmel hinzu. Kein schöner Anblick. Aber wenn der Liebste nach einer Woche Entzug inmitten dieses Chaos freudestrahlend ein „Salli“ haucht – gerne!

 

Schon nach einem halben Jahr waren wir des Pendelns leid. Weil Fredi seinen Bauernhof nicht einfach einpacken und umziehen konnte, haben wir uns in Rechberg niedergelassen. Eine sehr gute Entscheidung. Aber: oh Gott, was haben wir anfänglich gestritten! Laissez-faire-Fredi und ich mit meinen „wir-teilen-uns-den-Haushalt“-Vorstellungen! Wie in nahezu allen gemischtgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, die ich kenne, verhindert die Frage, warum denn immer die Küchenwaage zum Saatgut abwiegen missbraucht und einfach im Stall stehen gelassen wird, auch heute noch, dass das Heim ein allzu trautes wird.

 

Die Anfangszeit auf dem Hof war besonders spannend, weil ich (obwohl erblich vorbelastet) vom „Buure“ keine Ahnung hatte: systematisch schwänzte ich während meines Studiums der Landespflege die Landwirtschafts-Vorlesungen. Ich meinte, die wären genau so wichtig wie das Bügeln von Geschirrhandtüchern. Was für ein Irrtum! Da hätte ich vielleicht die Chance gehabt, das eine oder andere mal bei meinen Schwiegereltern-in-spe mit Begriffen wie „Grossvieheinheit“ oder „Arbeitserledigungskosten“ zu punkten. Aber nix war’s! Ich musste den klassischen Weg des Anbiederns gehen, um Ihnen zu genügen: Ich habe beim ersten Schlachtfest tapfer „Wurstsuppe“ gegessen, um diese nicht viel später wieder den Fischen zu schenken.

 

Idealerweise waren Kühe schon immer meine Lieblingstiere – und die Sympathie scheint bis heute auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Die halbe Miete, um den Wahnsinn „Ich heirate einen rotwangigen Bauern mitsamt seiner Buchhaltung“ einigermassen unbeschadet zu überstehen.

 

Heute ist vieles eingespielt – und viele Dinge sind völlig anders, als noch vor 6, 7 Jahren.

 

Gewollt – oder auch nicht.

 

Ich fühle mich hier daheim und wir sind ein gutes Team. Streiten können wir immer noch, vielleicht nicht mehr ganz so destruktiv. Wir haben uns gestern gefragt „Und, würdest Du mich noch mal heiraten?“. Wir haben beide bejaht – und mussten (verzweifelt?) lachen.

 

So, genug der Rückschau. Fred und Dunzie müssten eigentlich bald zum Mittagessen kommen. Fred in der Hoffnung, dass es irgend jemand zubereitet hat. Vorher hole ich noch schnell die Küchenwaage aus dem Stall. Dann sind wir komplett, für die Feiertags-Idylle…

 

Ich habe meinen Platz gefunden: Fred war so nett, mir bei der Orientierung zu helfen. Auf dem Foto der liebevoll einbetonierte Ring in der künftigen Küche, an den ich mich hin und wieder kette, um nicht verloren zu gehen.