Kuckucksei

Landwirt zu sein ist alles andere als ein Zuckerschlecken!
Ihr wisst das, schließlich liegen wir Bauern Euch gerne damit in den Ohren.

 

Nein, ohne Witz, es gibt Tage, da macht die Landwirtschaft keinen Spaß:
Wenn es in das schön geschwadete Heu hineinregnet und so die Arbeit von zwei Tagen zunichte ist. Wenn man sich schon in den ewigen Jagdgründen sieht, weil der Stier zuviel Kraft hat. Oder wenn ein Kälbchen stirbt, das einfach nicht trinken wollte.

 

Auch rund um das Thema „Geburt im Kuhstall“ kann so einiges schief gehen: Kälber sind zu groß oder schon aus unerklärlichen Gründen im Mutterleib gestorben, Kühe haben sehr enge Geburtskanäle, keine Wehen oder hören mit dem Pressen nicht auf, obwohl ihr Kälbchen schon längst auf der Welt ist. Oft kann man Schlimmes abwenden, aber eben nicht immer.

 

Es ist schon zwei, drei Jahre her, da herrschte große Aufregung: Eine Kalbin, also eine Erstgebärende, sollte ihr Junges bekommen! Fredi lässt in diesem Fall immer alles andere stehen und liegen (auch den heißgeliebten Frühstückskaffee), um dabei zu sein und zu helfen. Wenn die Füßchen des Kalbes herausgucken, befestigt er an ihnen zwei kurze, dünne Seile und unterstützt die Kuh, indem er im Rhythmus der Wehen zieht und in der Wehenpause durch Halten des Zuges das Zurückgleiten des ungeborenen Kälbchens vermindert. Dieses Vorgehen beschleunigt den Geburtsvorgang und hilft der Kuh Kräfte zu sparen.

 

Fredi krempelte also an jenem Morgen seine Ärmel hoch, um seinem guten Ruf als gefühlvolle Hebamme gerecht zu werden. Und dann der Schreck: Oh nein, das schien eine dieser Ekelgeburten zu werden! Als Fredi die Füßchen des Kalbes untersuchte, um die Zugstricke anzuhängen, sah er, dass diese schwarz waren. Das durfte nicht sein, da stimmte etwas nicht: Alle unsere Tiere, auch die Stiere, gehören der Rasse Fleckvieh an und haben somit ein rotbraun-weißes Fell. Schwarz gibt’s da nicht!

 

Der Geburts-Super-Gau war eingetroffen: Das Kalb war wohl schon vor Tagen, wenn nicht vor Wochen, im Mutterleib gestorben und … Nein, ich erspare Euch weiteres. Ich habe einmal eine solche Totgeburt erlebt (und gerochen) und mache seitdem einen großen Bogen um den Stall, wenn sich vergleichbares ankündigt. Fredi kann das leider nicht: Der Arme muss das tote Kalb herausziehen, denn sonst stirbt auch die Kuh. Da darf man nicht zimperlich sein.

 

Fredi dachte also tapfer „Augen zu und durch!“ – und zog. Die Kalbin machte super mit, aber das Kalb sah wirklich gar nicht gut aus, nämlich pechschwarz. Aber Fredi zog und zog – und irgendwann war das schwarze Bündel geboren.

 

Dann geschah das Unfassbare. Der schleimige schwarze Klumpen bewegte sich! Fredi war der Ohnmacht nahe. Die Kalbin drehte sich schnurstracks um und begann das Etwas liebevoll abzuschlecken. Eine halbe Stunde später lag ein blitzsauberes und gesundes, aber schwarzes Kälbchen vor des Bauern ungläubigen Augen!

 

Ja, wie denn das?

 

Mittlerweile gibt es in Süddeutschland Landstriche, da sind Kühe geradezu Mangelware, weil immer mehr Bauern aufhören und sich keine Nachfolger für die Höfe finden. Besonders in Tourismus-Regionen wie dem Schwarzwald kann das zum echten Problem für die Gemeinden werden. Die Wiesen- und Weideflächen, aber auch die Rindviecher selbst, prägen das Landschaftsbild und machen den Schwarzwald zu dem was er ist, nämlich eine vor allem von Bauern geformte Kulturlandschaft, die Reisenden und Gästen das Herz wärmt.

 

Wenn kein Rindvieh die Flächen durch Verbiss offen hält, wachsen dort zunächst Sträucher und später Bäume, bis dann im Finalzustand die Flächen geschlossen bewaldet sind. Der Tourist jedoch wünscht sich einen spannenden Wechsel unterschiedlicher Landschaftsstrukturen (Wald, artenreiche Waldränder, Hecken, Wiesen, Weiden …).

 

Eine Strategie, gegen die unerwünschte Verbuschung zu kämpfen, ist die betroffenen Flächen zu mähen – oder Vieh aus benachbarten Gegenden für die Zeit der Weidesaison zu „importieren“.

 

Auch im Wiesental werden Rinder mit Kusshand in Pension genommen, um so keine kostenintensiven (weil menschlichen) Pflegetrupps bezahlen zu müssen. Aufnahmebedingungen für die Vierbeiner sind lediglich, dass sie gesund, entwurmt und (falls männlich) kastriert sind. Letzteres um ungewollte Schwangerschaften und damit die Durchkreuzung der Zuchtpläne ambitionierter Bauernkollegen zu vermeiden.

 

Nun aber endlich zurück zu unserer Kalbin , der eigentlichen Heldin der Geschichte. Die Gute war also zusammen mit anderen Mädels im Sommer auf einer Pensionsweide im Wiesental. Urlaub machen und Höhenluft tanken. Da muss es hoch und auch nicht ganz jugendfrei hergegangen sein. Sangria-Saufen und Strip-Poker?

 

Wie auch immer, auf jeden Fall hat der Tierarzt eines Landwirts-Kollegen bei der Kastration seiner Stierchen geschlampt. Irgendeine schwarze „Sex-Machine“ wurde nicht in ihre geschlechtlichen Schranken verwiesen und begann als Pseudo-Ochse sogleich mehrere Urlaubsflirts. Das Schwein hat vier unserer jungen, unschuldigen Rindli geschwängert!

 

Lange überlegten wir, ob wir für unsere ledigen Mütter nicht Alimente einfordern sollten. Wir haben es gelassen. Schließlich ist das Leben für keinen Bauern ein Zuckerschlecken. Auch nicht für die, mit den schwarzen Seelen (im Stall).

 

1 R.I.P., James Brown!