Dunzie: Genie und Wahnsinn

Dunja A. Einstein

 

Gibt man sich der Lächerlichkeit preis, wenn man ein, zwei Stunden seines Lebens investiert, um eine Abhandlung über den eigenen Hund zu schreiben? Mit dem einzigen Ziel, einem Millionenpublikum beizubringen, dass man den klügsten und nettesten Kläffer der Gemeinde oder vielleicht sogar des Landkreises beherbergt? Wahrscheinlich ja. Aber egal.

 

Wenn ich mich nicht hingesetzt hätte, um eine Lobhudelei auf unseren Border-Collie zu halten, Fred hätte es mit Sicherheit getan. Und das gilt es uns allen zu ersparen, denn Fred kann verdammt auf die Tränendrüse drücken.

 

Am besten fange ich damit an, warum Dunja (sprich: „Dunzie“) in unser Leben getreten ist.

 

Unsere Kühe lungern meistens auf dem Rechberger „Rüttebuckel“ herum, wie bestellt und nicht abgeholt. Böse Zungen behaupten, dass wir sie nur herauslassen, um das Landschaftsbild zu vervollkommnen und einen Preis bei „Unser Dorf soll schöner werden“ abzuräumen. Dem ist aber nicht so: Wir halten unsere Kühe so weit weg vom Stall, damit wir uns eine teure Mitgliedschaft im Fitnessclub sparen können. Zweimal täglich „walken“ wir ans Ende dieser zwanzig Hektar großen Weide, um die Guten zum Melken nach Hause zu holen.

 

Denn freiwillig geht hier auf dem Hof gar nichts. Wenn der Bauer nicht mal zum Frisör geht, ohne die Drohung, dass ansonsten für unbestimmte Zeit das Frühstück, Mittag- und Abendessen auf Milchreis-Varianten reduzieren wird – warum sollte dann das Vieh einfach so pünktlich zu den Melkzeiten in den Stall kommen?

 

Es gibt leider Tage, da ist es extrem schwierig, die „Damen“ dazu zu bewegen, ihre Hüften heimwärts zu schwingen. Man bleibt gerne da, wo man gerade ist: Wenn ein laues Lüftchen weht, wenn man just eingenickt war oder wenn man erst noch beobachten muss, ob das Überholmanöver auf der Bundesstrasse gut ausgeht. Nachdem wir, ähnlich einem Animateur auf Ibiza, wieder einmal eine Saison wie die Deppen über die Weide gerannt waren, war klar: ein Hütehund muss her. Aber ein Profi! Also ein Border-Collie, weil, das sind die besten!

 

Und so haben wir uns Dunja ins Haus geholt. Ich musste weit fahren, bis ich das schwarz-weiße „wollknäuelgroße Wollknäuel“[1] verzückt in meine Arme schließen konnte. Border-Collies waren nämlich gerade aus im Klettgau, ja sogar in ganz Baden-Württemberg!

 

Ich schäme mich fast es zuzugeben: Dunzie ist eine Sächsin. Was man ihr beim Bellen nicht anmerkt. Die Welt hat doch ihr Gutes…

 

Obwohl Border-Collies das Hüten im Blut liegt, mussten wir eine weitere Saison wie die Deppen über die Weide rennen, um dem Hund zu zeigen, was wir von ihm wollten (merkt Ihr was?). Irgendwann aber klappte das Zusammenspiel von Hund und Kühen so gut, dass uns Freudentränen in die Augen schossen und wir uns überlegten, wie wir Dunzie gleich noch das Melken beibringen könnten.

 

Seit fast drei Jahren hat nun Dunzie den Animateur-Job übernommen. Sie hat Akteure und Publikum souverän im Griff. Wie sie das Vieh auf Kommando zusammentreibt und in die richtige Richtung lenkt – genial! Ihre Hüte-Show: ganz großes Kino.

 

 

Dunja P. Hilton

 

Ja, mit Dunzie-Superstar geben wir sehr gerne an. Besonders vor anderen Hundebesitzern, die gerade in einem Rechtsstreit mit einem Fahrradfahrer liegen, weil ihr Vierbeiner des öfteren seine eigenen Wege geht. Und die sich leider hin und wieder mit dem eines Zweirades kreuzen.

 

Unser Hund hört in der Regel gut auf uns. Er ist sehr freundlich und harmlos. Aber auch ein bisschen wahnsinnig. Zeitweise unzurechnungsfähig und ziemlich peinlich.

 

Dunzie liebt die Sonne. Aber auch meinen Gesang, Klack-Geräusche, Motorsägen, Rüttelplatten, unseren Radlader und sämtliche Traktoren. Denn das alles kann man hüten, stundenlang, ohne auch nur den geringsten Sinn.

 

Border-Collies neigen sehr dazu, sich „laufend“ Beschäftigung zu suchen, wenn sie ihren täglichen Marathon noch nicht absolviert haben. Anstatt sich an Frauchen zu drücken und zu schmusen, dass dieser warm ums Herz wird, rennen sie lieber Maschinen nach. Bis ihnen die Zehnägel aus den Schulterblättern kommen.

 

Dunzies höchstes Glück jedoch ist es, den Maschinen nicht nur hinterher zu rennen, sondern auf ihnen zu sitzen. Zur Zeit noch als Beifahrerin. Nächsten Monat wird sie aber endlich ihren Schlepper-Führerschein machen. Unmöglich, dass sie bei der Prüfung durchfällt: Sie schaut ihrem Herrchen schließlich sehr genau auf die Finger und Pedale. Fred geht und fährt mittlerweile keinen Meter mehr, ohne seinen Augenstern dabeizuhaben.

 

Und so ist das „Dream-Team“ auch an einem schönen Tag von Grießen nach Rechberg mit dem Pickup unterwegs. Nachdem sie in der ZG[2] einen Einkaufsbummel gemacht und einen neuen Gartenschlauch erworben hatten. Cool düsen sie in der heißen Sommersonne dahin, mit offenem Fenster, Sonnenbrillen – im Radio läuft ein Gangsta-Rap. Herr und Hund haben lässig die Ellbogen auf die Fensterrahmen gestützt. Dunzie, wie immer auf dem Beifahrersitz, legt sich leidenschaftlich in die Kurven und lässt sich den Fahrtwind um die Nase wehen.

 

Und dann geschieht die Katastrophe: Fred schmettert gerade ein inbrünstiges „Yo, man!“, als er entsetzt bemerkt: Dunzie ist weg! Einfach in der letzten Kurve aus dem Fenster gefallen. Er also voll in die Bremsen.

 

Fred bleibt verstört sitzen. Er traut sich nicht auszusteigen und nachzuschauen. Eigentlich hat schon jetzt sein Leben keinen Sinn mehr, so ganz ohne Hund. Er entschließt sich, seinem elenden Dasein ebenfalls ein Ende zu bereiten. Als er die Autotüre öffnet, um den Gartenschlauch an den Auspuff anzuschließen, macht es: Schwups – und Dunja nimmt ihre alte Position wieder ein Zwar leicht zerzaust, aber ohne die geringste Blessur.

 

Das Leben kann so schön sein! Und so lebten sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage.

 

Gute Nacht, liebe Dunzie. Gute Nacht, lieber John-Boy. Kläff!

 

[1] Schneider, Helge: „Operette für eine kleine Katze“
[2] regionaler Betriebsmittellieferant für Baubedarf und Landwirtschaft